Rudernde Hunde by Heidenreich Elke

Rudernde Hunde by Heidenreich Elke

Autor:Heidenreich, Elke [Heidenreich, Elke]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kurzgeschichten
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Schachmatt

BEI TANTE MARIA war die Stehlampe kaputt. Onkel Franz, nur auf Schlüsselbrettchen spezialisiert, konnte das nicht reparieren. »Ich hab es mir angesehen«, sagte mein Vater, »nur ein Wackelkontakt.« Repariert hat er ihn nicht. Ich war dran. Und Tante Leni wollte so gerne »so ein kleines Brettchen da in die Speisekammer unters Fenster«, Da Onkel Walter nur Kriegsschiffe aus Streichhölzern bauen konnte, mußte ich ran - »und bei der Gelegenheit kannst du mir auch ein Fliegengitter anbringen«.

Ich war immer dran. Mein Vater protzte mit meinem Talent (als hätte ich es von ihm geerbt), und ich mußte bei Leuten, die gerade gute Kunden bei ihm waren, die ich aber gar nicht kannte, Tauchsieder reparieren, Steckdosen verlegen oder bei alleinstehenden Frauen - ja, bevorzugt bei alleinstehenden Frauen - Schlüsselbrettchen anbringen. Ich hatte manchmal das Gefühl, mein Vater kassierte heimlich für meine Arbeiten, Geld oder Liebe, das wußte ich nicht so genau. Seltsamerweise bekam ich oft nicht einmal ein Trinkgeld.

Sicher bin ich, daß ich es meiner Mutter zu verdanken habe, daß ich nicht ein fester Faktor in Vaters ständig sich verändernden Geschäftsorientierungen geworden bin. Er wäre, glaube ich, gern mit mir auf Tournee gegangen, wie Leopold Mozart mit dem kleinen Wolfgang Amadeus. Wir hätten Werkzeug und Ersatzteile in Vaters Auto gehabt, wären in Gaststätten abgestiegen, die Leute hätten ihre kaputten Gegenstände gebracht, und ich hätte sie repariert. Er hätte schwadroniert, den Schaden festgestellt und registriert, mich aufgefordert, ihn zu beheben, und die Leute während der Wartezeit unterhalten.

»Oh, schöne Frau, das Radio kaputt? Lassen Sie mal sehen. Ja, das Lautsprecherpotentiometer ist hinüber. Das macht Ihnen mein Sohn. Der Herr Gemahl kann das nicht? Na ja, wenn er sonst - oh, gestorben, das tut mir aber leid. So jung und schon Witwe. Passen Sie auf, gute Frau, gehen Sie schön mit dem Gerät nach Hause, wir kommen dann vorbei - darfs vielleicht auch ein Schlüsselbrettchen für innen an die Haustür sein? Ja, doch, macht sich gut. Und im Schlafzimmer soweit alles in Ordnung? Dann bis später, Madame.«

Meine Mutter bewahrte mich davor - der Schule und der höheren Ziele wegen.

Auf dem Bau nannten wir solche wie meinen Vater die Arbeitanschauer. Zwei linke Hände, von allem etwas Ahnung, eine Spur Bildung und Wissen, ein geöltes Mundwerk, Sprüche und Charme. Heute sind solche Leute Subunternehmer - wie mein Freund Leopold zum Beispiel, der sich auch schon als Zuhälter versucht hat. Damals waren Menschen mit dieser Begabung Vertreter - wie mein Vater. Er konnte jedem jederzeit das Gefühl vermitteln, daß er natürlich all das selbst bauen und reparieren konnte, daß er von allem etwas verstand und nur gerade im Moment wegen seiner Überarbeitung nicht selbst Hand anlegen könne. Manchmal unterstrich er seine erklärte Bereitschaft, zu helfen und zu handeln und die Dinge in Gang zu bringen, mit einem kurzen Handgriff. Er strich eine halbe Zaunlatte von den dreihundert zu streichenden, er machte zwei Spatenstiche, wo eine Grube auszuheben war, um den toten Hund zu begraben, oder er zeichnete mit dem Bleistift an, wo ein erster von vielen Nägeln einzuschlagen war.



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